Update 12.7.2014: Nach Durchsicht des gesamten Akten bestätigt sich die Annahme, dass es sich um ein Fehlurteil handelt.
Rückfragen: bv@piratenpartei.at oder jederzeit telefonisch: 0660/3437070
Ein Urteil des Landesgericht für Strafsachen Graz beschäftigt momentan die Netzgemeinde!
Wir halten das Urteil für rechtlich falsch und zwar aus folgenden Gründen:
1. Sachverhalt:
Der Angeklagte hat in Graz eine sogenannte „Tor-Exit Node“ betrieben. Dies ist ein Computerprogramm, also eine Mehrzahl an Dateien auf einem Computer zur zielgerichteten automationsunterstützten Datenverarbeitung. Das Ziel der solcherart herbeigeführten Datenverarbeitung war die Bereitstellung des Computers für das internationale Tor-Netzwerk.
Dieses Netzwerk dient hauptsächlich (pauschal gesagt) zur anonymen Nutzung des Internets. Man greift auf die gewünschte Website nicht direkt zu, sondern macht dem Umweg über mehrere Tor-Server und verlässt das Tlr-netzwerk wieder über eine sogenannte Exit-Node. Der Zugriff auf die gewünschte website erfolgt also über die Exit-Node. Wer über dieses Netzwerk das Internet nutzt, kann grundsätzlich weder von staatlichen Stellen, noch von sonstigen Dritten überwacht werden. Als IP-Adresse, von der aus auf die Website zugegriffen wird, scheint nur der Exit-Node auf. Das wurde einem Grazer Piraten zum Verhängnis. Über seine Exit-Node wurde durch einen unbekannten Dritten auf illegales Bildmaterial zugegriffen und das Gericht erkannte zu Recht, er habe durch die Bereitstellung der Exit-Node einen Tatbeitrag geleistet.
Insbesondere in totalitären Staaten, in denen Medien zensiert werden ist es ein Mittel, um freie, ungefilterte Information zu erlangen. Zu diesem Zweck stellen in Österreich und unzähligen anderen Ländern tausende Privatpersonen ihren Computer diesem Netzwerk zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um sogenannte „Internetaktivisten“, die, ohne dafür den geringsten eigenen Vorteil zu haben, aus reiner Selbstlosigkeit einen Teil der Rechenleistung ihres Computers kostenlos anderen zur Verfügung stellen, um diesen den anonymen, unzensierten Zugriff auf das Internet zu ermöglichen.
Es handelt sich hierbei um eine sozial nicht bloß adäquate, sondern auch wünschenswerte Handlung!
2. Rechtliche Beurteilung:
Die Staatsanwaltschaft Graz brachte in ihrem Strafantrag vom 16.4.2014 Anklage ein, in der sie dem nunmehr hiefür Verurteilten folgendes zur Last legte:
Zitat aus dem Strafantrag:
„XXX XXX hat in XXX
I. am 15. März 2012 dadurch zur Ausführung der strafbaren Handlung einer bislang unbekannten Person, welche sich eine pornografische Darstellung einer minderjährigen Person, nämlich die wirklichkeitsnahe Abbildung der Genitalien und der Schamgegend einer Minderjährigen, nämlich eine Bilddatei mit der Darstellung eines minderjährigen Mädchens, das mit gespreizten Beinen seine Vagina präsentiert, wobei es sich um eine reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildung handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dient, durch Beziehen über das Internet, nämlich über die Internetseite „xxx“, verschafft hat, beigetragen, dass er einen von ihm gemieteten Server im Tor-Netzwerk als anonymen Exit-Node den Usern dieses Netzwerks zum Zwecke des unzensierten Zugangs ins Internet zur Verfügung stellte, wobei ihm bewusst war, dass das Tor-Netzwerk auch für Zugriffe auf Kinderpornographie oder zum Hochladen der selben verwendet werden kann, er sich jedoch damit abfand;“
Das Landesgericht für Strafsachen Graz fällte daraufhin ein verurteilendes Erkenntnis hinsichtlich des oben genannten Anklagepunktes.
Vom weiteren Vorwurf, er habe selbst Kinderpornos besessen, wurde der Angeklagte jedoch freigesprochen!
Update 12.7.2014: Die Website Futurezone titelt: „Bei uns kannst du Kinderpornos hosten“ und zitiert damit aus Chat-Protokollen des Angeklagten, obwohl er vom Vorwurf, er habe selbst Kinderpornos gehostet, freigesprochen wurde. Die als illegale Beitragshandlung gewertete Handlung des Verurteilten war (siehe Strafantrag) ausschließlich die Bereitstellung des Tor-Exit-Nodes – vom restlichen Vorwurf (unter anderem des Hostings) wurde er freigesprochen, weshalb die Futurezone hier nicht nur journalistisch unethisch handelt, sondern auch die sogenannte Unschuldsvermutung missachtet. Die Redaktion und die, den Beitrag verfassende Journalistin wurden darauf hingewiesen – es wurde angeboten, ihnen Einsicht in den gesamten Akt zu gewähren. Sie waren jedoch weder an weiterer Information noch an, die Rechte des Einzelnen wahrender Berichterstattung interessiert. Sobald es unsere zeitlichen Ressourcen zulassen werden wir den Presserat mit diesem Sachverhalt befassen.
Diese Verurteilung selbst ist in einem Maße rechtswidrig, das jedem Laien einleuchtet. Die Gründe seien hiermit dennoch dargelegt:
a) Keine ausreichende Individualisierung der unmittelbaren Straftat:
„Der Beitrag muss zu einer ausreichend individualisierten Tat erfolgen, die dem Beitragstäter aber nicht in allen Einzelheiten bekannt sein muss.“
„Das Verschaffen des Werkzeuges für nicht näher bekannte Einbrüche [stellt] keine strafbare Beteiligung dar“ (JBl 1977, 46 = RZ 1976/75)
Genau dieser Fall liegt hier in concreto vor. Bei dem Tor-Exit-Node handelt es sich um ein Werkzeug, das für legale, wie auch für illegale Handlungen verwendet werden kann. Ein, für kriminelle Handlungen verwendbares Werkzeug sind Dinge wie: ein Küchenmesser, ein Kugelschreiber, eine Telefonleitung, eine herkömmliche Internetverbindung oder auch ein Tor-Exit-Node.
Dem Verurteilten wurde die Kenntnis von einer etwaigen Straftat oder des konkreten Planes eines konkreten anderen zu einer solchen nicht nachgewiesen, er jedoch dennoch verurteilt. Dies aufgrund von Chat-Protokollen, wo er die Sicherheit des Tor-Netzwerkes damit begründete, dass sogar illegale Handlungen damit durchführbar seien. Er nannte dabei nicht nur Kinderpornografie, sondern auch anderes, Zitat aus den Chat-Protokollen:“