Verfassungsschutz: Straflos tun, was man schon immer machen wollte

Deutschland ist nun direkt am Krieg mit Syrien beteiligt. Die Terrorgefahr im Land sei dadurch aber nicht gestiegen, denn sie war immer schon sehr hoch und man sei schon seit Jahren im Fokus internationaler Terronetzwärke wie Al-Qaida oder IS, so der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen in einem Interview. Der Verfassungsschutz geht derzeit von ca. 1100 Terrorverdächten in der Bundesrepublik aus. Bei 430 davon sei jederzeit mit schweren Straftaten zu rechnen.

Die Behörde habe ein großes Interesse daran, von Flüchtlingen Informationen über „mögliche Terroristische Bestrebungen gegen Deutschland, aber auch über Mitreisende […], die sich Dschihadistisch geäußert haben“ zu erhalten. Dies sei keine Denunziation, so Maaßen weiter, denn der Verfassungsschutz sei „einfach darauf angewiesen zu wissen, was gefährlich sein kann für die Sicherheit in unserem Land“.

Islamistisch extremistische Attentäter, wie man sie in San Bernardino (USA) sah, die ohne terroristisches Netzwerk aber aus den gleichen Motiven handeln, seien auch in Deutschland vorstellbar. Die Nachrichtendienste und Polizei beschäftige sich schon seit Jahren damit, solche Personen, die bislang nicht aufgefallen sind, ausfindig zu machen. Dazu kommt auch das NSA Tool „XKeyscore“ zum Einsatz (im Gegenzug bekommt die NSA die gesammelten Daten) [2]. Namen und Zahlen gäbe es aber bislang keine, sonst würde der Verfassungsschutz entsprechend handeln. Deshalb sei er insbesondere bei dieser Personengruppe, die „sich über das Internet haben radikalisieren lassen“, darauf angewiesen, dass Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen Hinweise geben.

Beim Verfassungsschutz arbeiten derzeit ca. 2700 Personen, aber man brauche mehr Personal, habe offene Stellen und suche gute Leute. Hans-Georg Maaßen wirbt u.a. mit Straflosigkeit für normalerweise wohl nicht legale Handlungen:

Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber und ich kann sagen, in manchen Bereichen unseres Hauses kann man all das machen, was man schon immer machen wollte, aber man ist straflos. Zum Beispiel Telekommunikationsüberwachung.

Dass die Verantwortlichen so denken überrascht uns nicht. Dass sie diese Gedanken so offen kommunizieren allerdings schon. Das Interview wurde auch im TV ausgestrahlt, der zitierte Abschnitt wurde dabei allerdings herausgeschnitten [3]. Über die Gründe, warum der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) diesen nicht gesendet hat, können wir natürlich nur mutmaßen. Unseres Erachtens nach ist es im Interesse der Allgemeinheit, zu erfahren, wie Behördenvertreter kommunizieren und handeln und Aufgabe der Medien diese zu informieren, besonders  bei derart brisanten Themen.

Aber auch ohne die Aussage zu kennen wird schnell klar worum es geht, wenn man sich die entsprechenden Stellenbeschreibungen ansieht. Ausgeschrieben sind derzeit beispielsweise folgende Positionen [4]:

Technische Nachrichtengewinnung im Internet

  • Analyse von Funktion und Abläufen in komplexer IT sowie abstraktes und kreatives Denkvermögen zum Finden unkonventioneller Lösungswege

Softwareentwicklung / Reverse-Engineering und Technische Analyse im Bereich Netzwerkforensik

  • IP-Netzwerkkommunikation, insbesondere zu Protokollaufbau und -design,
  • Softwareentwicklung mit C/C++ auf Open-Source-Systemen, von Build-Toolsets und Sourcecode-Verwaltungssystemen,
  • Skriptentwicklung in Perl oder Python und im Shell-Scripting (bash, sed, awk),

Zentrale Datenanalyse

  • Durchführung von IT-Entwicklungsprojekten im Bereich von Big Data, Data-Mining und Business Intelligence sowie Erfahrung mit Analysewerkzeug im Dataminingbereich

Informations- und Sondertechnik

  • Internetprotokolle und Internetdienste; Verschlüsselungs- und Kommunikationstechnologien; Netzstrukturen sowie des „NGN-Next Generation Network“.

Seitens der Politik sieht Maaßen breite Unterstützung, vor allem aus dem Parlament. Die Aussagen der Linken den Verfassungsschutz abzuschaffen oder zu reformieren, weil er ein „weißer Fleck in der Demokratie sei“, hält er für leere Worte. Man mache gute Arbeit und es werde weitergehen mit dem Verfassungsschutz, so der „oberste Verfassungsschützer“. Er könne nicht garantieren, dass Deutschland sicher bliebe, aber der Verfassungsschutz tue sein bestes.

Hierzulande wird gerade das neue Staatsschutzgesetz zu Wege gebracht, der einen weißen Fleck in die Demokratie Österreichs reißen soll. Es wird eine Behörde mit praktisch unbeschränkten Befugnissen geschaffen. Sie wird dem Innenministerium unterstellt, darf diesem aber die Auskunft verweigern. Richterliche oder parlamentarische Kontrolle ist praktisch nicht vorgesehen. Durch den starken Widerstand aus der Zivilgesellschaft wurde der Zeitpunkt an dem es beschlossen werden sollte bereits mehrfach verschoben. Unterstütze auch Du unsere parlamentarische Bürgerinitiative gegen das Gesetz: https://www.piratenpartei.at/staatsschutz/

[1] http://www.mdr.de/mdr-info/podcast/beste/audio1348356.html
[2] http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-08/xkeyscore-nsa-verfassungsschutz
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Verfassungsschutz-Chef-wirbt-Arbeitnehmer-Endlich-straflos-ueberwachen-3042510.html
[4] https://www.verfassungsschutz.de/de/das-bfv/karriere/stellenangebote/sta-20151120-bfv-it-2015-12.job

Kommentare geschlossen.