Interview auf Netzpolitik.org: YouPorn-Aktivismus gegen neue Geheimdienste-Gesetze

Das folgende Interview mit unserem Bundesvorstand Florian Lammer erschien im Original am 30.9.2015 auf Netzpolitik.org:

Interview: YouPorn-Aktivismus gegen neue Geheimdienste-Gesetze

Politische Kampagnen auf YouPorn sind eher selten. Im Rahmen eines Protests gegen das neue Staatsschutzgesetz hatten die Piraten in Österreich Banner mit Bildern von Regierenden auf der Porno-Plattform geschaltet. Darunter war die amtierende Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die das neue Staatsschutzgesetz und die Vorratsdatenspeicherung in Österreich vorantreibt.

piraten-kampagne youpornScreenshot der YouPorn-Einblendungen

Weil ja auch in Deutschland bald wieder Wahlkampf sein wird, haben wir die österreichischen Piraten um ein Interview zu der Kampagne gebeten. Wir sprachen mit Florian Lammer, Mitglied des Bundesvorstandes der Piratenpartei Österreich.

[Jugendschutz-Hinweis] Bei YouPorn.com finden sich Porno-Varianten aller Art und für jeden Fetisch, die Kinder und Jugendliche nicht unkommentiert ansehen sollten. Es gibt aber auch eine YouPorn-eigene Forschungsabteilung sowie externe Forschung. [/Jugendschutz-Hinweis]

Es ging in Österreich und auch in Deutschland durch die Presse, dass die Piraten Österreich eine eher ungewöhnliche Aktion bei YouPorn gestartet hatten. Was war das Ziel? War es ein Erfolg?

Florian Lammer: Ich würde es auf jeden Fall als einen Erfolg bezeichnen, denn darüber wurde nicht nur in Österreich und Deutschland berichtet, sondern wir haben sogar die Sprachbarriere hinter uns gelassen. In Großbritannien ist auch darüber berichtet worden. Das Ziel der Aktion war natürlich, die Wahrnehmung zu ändern, dass Privatsphäre und Datenschutz für viele Menschen eher abstrakte Themen sind, ein Luxus. Man hört oft den Satz: Ich habe nichts zu verheimlichen oder zu verbergen. Darum wollten wir mit unserer Aktion an einer Stelle aufmerksam machen, wo sich die meisten Menschen wirklich bewusst sind, dass sie großen Wert auf ihre Privatsphäre legen. So haben wir gedacht, wir müssen sie über YouPorn erreichen. In Österreich soll ja das Staatschutzgesetz in Kürze beschlossen werden.

Was kritisiert ihr am Staatsschutzgesetz?

Florian Lammer: In Österreich ist im neuen Staatschutzgesetz vorgesehen, dass jedes der neun Bundesländer einen eigenen Geheimdienst erhalten soll und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, was zur Zeit noch eine Polizeibehörde ist, in Zukunft mit nachrichtendienstlichen Befugnissen ausgestattet wird. Es kommt also zu einer extremen Aufwertung und Ausweitung von Geheimdiensten in Österreich.

Sind die Aufgaben von Polizei und Geheimdiensten klar getrennt?

Florian Lammer: Es ist eine Vermischung von Polizei- und geheimdienstlichen Aufgaben, was natürlich sehr fragwürdig ist.

War das Staatsschutzgesetz der Anlass für eure Kampagne und der Grund, warum ihr die Innenministerin auf den Anzeigen abgebildet habt?

Florian Lammer: Genau. Wir haben begonnen, die Innenministerin auf den Sujets abzubilden, und das dann erweitert auf unseren Bundeskanzler, Werner Faymann von der Sozialdemokratischen Partei, die mit der Volkspartei das Staatsschutzgesetz auf den Weg bringt. Wir machen das, um online gegen dieses Gesetz zu demonstrieren und darauf hinzuweisen. In dem Staatsschutzgesetz ist auch eine verdachtsunabhängige Überwachung der Zivilgesellschaft vorgesehen. Richterliche oder parlamentarische Kontrolle sind dagegen überhaupt nicht vorgesehen. Der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums ist der Einzige, der das noch kontrollieren darf. Allerdings dürfen die Geheimdienste ihm zu jeder Zeit die Akteneinsicht verwehren. Es handelt sich also um eine unkontrollierbare Entwicklung der Geheimdienste.

Wird der Bock zum Gärtner gemacht, wenn das Parlament keine Rechte zur Kontrolle hat?

Florian Lammer: Genau. Wenn das so weit kommt, sind die Geheimdienste entkoppelt vom demokratischen Staat.

johanna bei youpornDie österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in der YouPorn-Kampagne.

Warum habt ihr euch für diesen Weg entschieden, das ist ja eine ziemlich beispiellose Kampagne?

Florian Lammer: Wir sind eine kleine Partei und dazu eben die Piraten. Wir sind online-affin, und deswegen war das naheliegend. Wir wollten Privatsphäre anschaulich machen, und es ist halt auch unsere Domäne. Wir machen aber auch Offline-Aktionen, also zum Beispiel verteilen wir Flyer auf der Straße. Aber wir haben natürlich nur begrenzte Ressourcen.

Wie hat das Innenministerium reagiert?

Florian Lammer: Wir haben eine Rückmeldung vom Innenministerium bekommen, das uns gebeten hat, die Anzeige offline zu nehmen. Wir hatten das Innenministerium über unsere Aktion informiert, noch am selben Tag kam die Rückmeldung vom Pressesprecher, dass sie dem nicht zustimmen würden.

faymann bei youpornBundeskanzler Werner Faymann in der YouPorn-Kampagne.

Ging es auch um die Benutzung des Bildes der Innenministerin?

Florian Lammer: Ja, aber das ist unter Creative-Commons-Lizenz, und die Anzeige ist nicht anrüchig. Rechtlich kann uns also nichts passieren, deswegen haben wir das weiter online gelassen und sind der Bitte des Pressesprechers nicht nachgekommen. Wir haben auch eine Spendenaktion gestartet und innerhalb von zwei Tagen über vierhundert Euro gesammelt, so dass wir die Aktion weiterlaufen lassen, bis das Staatsschutzgesetz endgültig vom Tisch ist. Wir werden auch weitere, etwas drastischere Aktionen starten.

Gibt es schon ein paar Hinweise für unsere Leser, worauf sie vielleicht auf welchen Porno-Plattformen achten sollen?

Florian Lammer: Wir sind auf allen großen Porno-Plattformen vertreten, nicht nur auf YouPorn.

Was kostet eigentlich eine solche Anzeige?

Florian Lammer: Am ersten Tag haben wir etwa achtzehn Euro ausgegeben für die Anzeige, das ist ein Schnäppchen für das Feedback, was wir – besonders aus der Netzgemeinde – bekommen haben.

Was habt ihr für Reaktionen bekommen über die eigene Community hinaus?

Florian Lammer: Wir sind aus unserer Community weit rausgekommen, was die Reichweite anging. Wir haben das an den Seitenzugriffsstatistiken und in den Facebook-Statistiken gesehen. Natürlich war unsere Reichweite in die Höhe geschnellt, in die Hundertausende. Es ist ausschließlich positives Feedback gekommen, außer vom Innenministerium selbst. Wir haben verfolgt, ob wir negatives Feedback erhalten, aber es ist uns nichts dergleichen aufgefallen.

Ein Problem, wenn man über Datenschutz und Überwachung spricht, ist doch, dass Überwachung abstrakt bleibt. Der Zusammenhang bei Porno-Plattformen zum Eingriff in die private Sphäre erscheint aber konkret. Hat das inhaltlich funktioniert?

Florian Lammer: Ich glaube schon, wir haben auch eine Bürgerinitiative gestartet: „Die Piratenpartei gegen das Staatsschutzgesetz“. Dort ist unsere Unterstützerzahl massiv nach oben gegangen. Auf was wir bei dieser Aktion hingewiesen haben, ist staatschutz.at. Die Website wird vom parteiunabhängigen AK Vorrat in Österreich betrieben. Dort sind auch die Unterstützerzahlen nach oben gegangen seit unserer Aktion. Gegen das Staatschutzgesetz gibt es inzwischen schon über 15.000 Unterstützer und generell ist das Gesetz bekannter geworden. Die Protestbewegung dagegen hat durch die Aktion generell viel Unterstützung gewonnen.

Ist der Inhalt des Gesetzes nun bekannter geworden?

pirat florian lammertFlorian Lammer

Florian Lammer: Das Problem an dem Staatsschutzgesetz in Österreich ist: Es ist einfach wenig bekannt. Aber jeder, der von den konkreten Plänen darin hört, meint: „Was, das soll kommen? Neun Geheimdienste in Österreich?“ Aber das Gesetz ist in den Medien nicht wirklich präsent. Das wollten wir mit dieser Aktion erreichen, denn während die Flüchtlingskrise derzeit alles überschattet, werden in diesem Schatten Bürgerrechte abgebaut werden, wird das Staatschutzgesetz im Nationalrat durchgepeitscht. Wir haben uns überlegt, wie wir darauf Aufmerksamkeit richten können, denn es ist auch einfach akut und soll in wenigen Wochen beschlossen werden. Konkret soll es um den 13. Oktober herum beschlossen werden. Darum haben wir uns gesagt: Wir müssen wirklich viel Aufmerksamkeit auf dieses Staatsschutzgesetz richten. Und das ist uns ganz gut damit gelungen.

Die Piratenpartei Österreich hat keine Parlamentsitze im Bund. Gibt es denn Parteien im Bund, abgesehen von den regierenden Konservativen und Sozialdemokraten, die auf den Zug aufgesprungen sind und sich am Widerstand gegen das Staatschutzgesetz beteiligen?

Florian Lammer: Es gibt Parteien, die sich den Widerstand gegen das Staatsschutzgesetz auch auf die Fahnen schreiben, aber ich habe noch nicht bemerkt, dass von ihnen große Aktionen ausgehen, obwohl sie natürlich die Möglichkeiten hätten. Finanziell und auch in Sachen Aufmerksamkeit wird es ihnen bestimmt leichter fallen, die Kritik am Staatsschutzgesetz ins Licht zu rücken. Sie treten im Programm zwar dafür ein – also für Bürgerrechte – aber es passiert nichts dergleichen. Privatsphäre, Datenschutz und digitale Bürgerrechte werden in Österreich bei der Piratenpartei als einziger Partei mit Aktionismus vorangetrieben.

Bewertet ihr die Aktion als vollen Erfolg?

Florian Lammer: Absolut!


 

Florian Lammer (24) ist seit Oktober 2014 im Bundesvorstand der Piratenpartei Österreich tätig. Er absolviert derzeit sein Masterstudium der Bauingenieurswissenschaften an der technischen Universität in Graz. Seine Kernthemen umfassen (digitale) Bürgerrechte und Netzpolitik.

Transkript von Nikolai, Simon und Constanze.

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