Bargeld ist nach wie vor ein weltweit beliebtes und vor allem anonymes Zahlungsmittel. Da es aber gestohlen und für ungesetzliche Zwecke benutzt werden kann, wundert es kaum, dass im vernetzten Zeitalter die Forderung laut wurde, komplett auf selbiges zu verzichten. Vor allem Polizei und Banker befürworten das, denn dann gäbe es keinen Bankraub, keine Steuerhinterziehung und keine Schwarzarbeit mehr [1].
„Die Menschen würden auf andere Währungen und zur Not auf Edelmetalle ausweichen“, sagt Paul G. Schmidt, der das Economics Departments an der Frankfurt School of Finance and Management leitet. Nicht nur bei Schwarzarbeit und Drogenkäufen würden diese Ausweichwährungen genutzt werden: „Auf Flohmärkten und in kleinen Geschäften ist eine Einführung von bargeldlosen Systemen einfach zu teuer.“ [1].
Dass diese Ansicht dank Smartphones und Apps nicht mehr ganz stimmt, beweist Schweden als prominentes Beispiel. Dort ist es teilweise gar nicht mehr möglich mit etwas anderem außer Smartphone oder Plastikgeld zu bezahlen [2]. Spätestens seit den Snowden Enthüllungen ist der massive Eingriff in die Privatsphäre durch diese Maßnahme bekannt.
„Auch bei allen denkbaren technischen Sicherungen sind digitale Spuren zumeist leichter festzustellen, automatisiert auszuwerten und dadurch umfassend zu überwachen.“ so Thilo Weichert, Landes-Datenschutzbeauftragter in Kiel, der die Datenspuren, die Nutzer von digitalen Zahlungsmitteln hinterlassen mit Sorge sieht. „Knackpunkt dabei: Die Zahlungsströme laufen fast alle über die USA […] Dass wir keine europäische Infrastruktur haben, ist ein Problem. Auch das europäische Überweisungssystem SEPA wird daran nichts ändern, dazu war es gar nicht gedacht“ [2].
Das vermeintlich „Beste“ aus beiden Welten zu vereinen versucht das österreichische Unternehmen EDAQS, dass stolz seine neueste Entwicklung präsentiert: DICE.
Offiziell wird DICE als Möglichkeit vermarktet, Geldscheine elektronisch ungültig zu machen, wenn diese gestohlen wurden. Damit soll Kriminalität, allen voran (Bank-)Raub verhindert werden. Bei einem Unternehmen, das sein Geld mit Algorithmen zur Datenanalyse verdient, darf man durchaus davon ausgehen, dass auch dieses Projekt den Fokus auf den gewonnen Daten und nicht dem Verkauf von RFID Chips hat, denn sowohl die Technologie als auch die Idee existieren: Bereits 2001 gab es Gerüchte, dass die EZB in Zusammenarbeit mit Hitachi an gechipten Euro-Banknoten arbeitet [4].
Die Firma lässt in dieser Grafik unerwähnt, dass man RFID Chips nicht einfach aus der Ferne ungültig machen kann. Der RFID Chip hat die gleiche Funktion wie die aufgedruckte Seriennummer, nur dass er einfach per Funk über kurze Distanzen ausgelesen werden kann. Die Bank kann also nicht das Geld ungültig machen, sie kann lediglich die Seriennummern der gestohlenen Noten in einer Datenbank hinterlegen, die abgefragt werden muss um herauszufinden ob ein Schein gültig ist oder nicht.
Damit geht zunächst die Anonymität des Bargelds verloren. Durch die Abfrage können Scheine und damit die Transaktionen nachverfolgt werden. EDAQS bewirbt diese Maßnahme aktiv und erklärt, dass „das DICE System weiß wo sich welche Banknote befindet“ [3]. Gleichzeitig wird betont, dass nicht gespeichert werden soll, an wen welche Banknoten ausbezahlt wurden. Auszahlungsort und Zeitpunkt aus den Kontoauszügen mit den Eintragungen im DICE System abzugleichen, um die Identität der Personen offen zulegen an die der Schein ausbezahlt wurde, ist allerdings eine sehr einfache Programmierübung.
Weiters wird erst bei der (Online-)Abfrage klar, ob ein Schein (un-)gültig ist. Ohne das Risiko in Kauf zu nehmen, gestohlenes und damit ungültiges Geld zu erhalten, ließe sich Bargeld also nur noch dort benutzen, wo auch eine Internetanbindung vorhanden ist. Diese Maßnahme würde das Ausfallrisiko im Falles eine Diebstahls also von der Bank auf die Allgemeinheit abwälzen und gleichzeitig der totalen Überwachung Tür und Tor öffnen.
„Nur über Bargeld lässt sich auch nur ansatzweise langfristig die Anonymität des Zahlungsverkehrs gewährleisten“ so Weichert weiter.
Auch der Kundenkreis lässt Schlüsse auf die Absichten hinter dem neuen Geld zu. Daryl de Jorí, einer der Gründer von EDAQS verhandelt mit der russischen Zentralbank und Vertreter der australischen Regierung reisen Anfang Juni nach Wien [5]. Vor allem das Russische Interesse gibt uns zu denken.
„Banknoten, die in falsche Hände gelangen können ferngesteuert entwertet werden“ so EDAQS [3]
Hier stellt sich die Frage wessen Hände die falschen sind und wer das entscheidet. Im Falle von „Predicitve Policing“ (wir berichteten), könnte man Demonstrationen nicht nur effektiv verhindern und die Konten der Akteure sperren sondern auch gleich deren Bargeld ungültig machen.
[1] http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/oekonomen-analysieren-warum-die-welt-ohne-bargeld-nicht-funktioniert/3752086.html
[2] http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/moderne-zahlsysteme-warum-schweden-beim-bargeldlosen-zahlen-vorn-liegt/9716606-5.html
[3] http://www.edaqs.com/2015/04/edaqs-publishes-dice-the-new-banknote-technology-that-protects-citizen-and-fights-crime/
[4] http://www.golem.de/news/edaqs-dice-banknoten-sollen-mit-rfid-aus-der-ferne-entwertet-werden-1505-114243.html
[5] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/4738842/Elektronisch-entwertbares-Bargeld-entwickelt
Foto von Paul G. Schmidt: http://www.paulgschmidt.de/ – http://www.paulgschmidt.de/public/images/portrait_paul_k.JPG
Foto von Thilo Weichert:
Dice: Screenshot von http://www.edaqs.com/ vom 30.05.2014
Beitragsbild “Der gläserne Konsument”: Zusammengestellt von Peter aus „Big Brother is watching you“ von duncan c, „Blue and Purple RFID tag“ von midnightcomm und 10 Euro Banknote (EZB).
es gäbe auch technische Lösungen wo „Geld“ kryptotechnisch an einen Träger gebunden ist (so wie heute der „fälschungssichere“ Geldschein) nur mit dem Vorteil, dass man Betrag zu & abbuchen kann ohne dass die Besitzer personalisiert sind. Ich habe dann einfach zwei Chip-Cards, die über NFC-Koppler miteinander im secure mode kommunizieren und Betrag X von Datenträger A auf Datenträger B transferieren. Bei A wird weniger und bei B um gleichen Betrag mehr. Dazu braucht’s weder Kenntnisse über Personen, noch Orte noch Zeit. Das kann so anonym geschehen wie heute Geldscheine in einem finsteren Winkel unbeobachtet den Besitzer wechseln. Geld(wert) stinkt nicht.
Technisch geht das, man muss nur wollen (100% sicher ist nix, aber man könnte das fälschungssicherer als heutige Münzen, Scheinchen machen)
Welche Technologie unterstütz derartige offline Transaktionen, sodass double-spent ausgeschlossen ist?