Presseaussendung Tor-Urteil

+++ Pirat wegen Tor-Bereitstellung verurteilt – Piratenpartei stellt sich hinter Tor-Community +++

„Wir lassen uns weder überwachen noch kriminalisieren“, so der Tenor aus den Reihen der Piratenpartei. Am 30. 6. 2014 wurde erstmals ein Betreiber des Tor-Netzwerkes wegen Beitrag zu strafbaren Handlungen eines unbekannten Dritten verurteilt, weil der Zugriff auf das illegale Material zufällig über seine Exit-Node lief. Es ist zwar nicht das erste Mal, dass Tor-Betreiber (nicht bloße Nutzer!) zum juristischen Handkuss kommen und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen müssen; aber mit dieser Verurteilung hat die Verfolgung von Internetaktivisten ihren Höhepunkt erreicht.

Der Verurteilte habe am 15. März 2012 „dadurch zur Ausführung der strafbaren Handlung einer bislang unbekannten Person […] beigetragen, dass er einen von ihm gemieteten Server im TOR-Netzwerk als anonymen Exit-Node den Usern dieses Netzwerks zum Zwecke des unzensierten Zugangs ins Internet zur Verfügung stellte, wobei ihm bewusst war, dass das TOR-Netzwerk auch für Zugriffe auf Kinderpornographie oder zum Hochladen der selben verwendet werden kann, er sich jedoch damit abfand; […]“ [Auszug aus dem Urteil]

Vom weiteren Vorwurf, er habe solche Handlungen selbst gesetzt, wurde der Angeklagte wiederum freigesprochen. Es ist also objektiviert, dass er selbst weder solche Handlungen setzte noch setzen wollte. Dass es sich um ein krasses Fehlurteil handelt, dürfte jedem Juristen klar sein, denn einerseits fehlt es an grundlegenden Bedingungen der Strafbarkeit – insbesondere Kausalität und Adäquanz – und andererseits schließt sogar §13 ECG jegliche Haftung und auch strafrechtliche Verantwortlichkeit explizit aus.

Die Piratenpartei Österreichs stellt sich explizit hinter die Tor-Community. Sie wird zu diesem Zweck nicht nur eine Nichtigkeitsbeschwerde zu Wahrung des Gesetzes bei der Generalprokuratur anregen (1), sondern in Absprache mit dem verurteilten Grazer Piraten nunmehr selbst solche Tor-Exit-Nodes übernehmen, wegen der der Grazer Pirat verurteilt wurde. In einem offenen Brief (2) fordern wir den Bundesminister für Justiz auf, die Strafverfolgung von Exit-Node-Betreibenden unverzüglich per Weisung abzustellen.

Der Bundesvorstand der Piraten meint dazu: „Wir setzen uns bewusst ebenfalls dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung aus, weil wir davon überzeugt sind, dass anonyme Internetnutzung nicht nur legal ist, sondern vielmehr verbrieftes Recht jedes Menschen sein sollte. Es ist traurig, dass solche Dienste privat zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Bereitstellung von freiem, gleichem und anonymen Internetzugang sollte vielmehr eine staatliche Aufgabe sein.“

Der gesamte Strafakt, der der Piratenpartei vorliegt, zeugt von juristischer, aber auch vor allem technischer Unkenntnis der Behörden. Insbesondere scheint das Motiv der Internetaktivisten den Behörden Rätsel aufzugeben; Zitat aus dem polizeilichen Abschlussbericht: „Welche Motive den Beschuldigten zur Installierung des TOR-Dienstes und der Konfigurierung von Servern zu TOR-Exit-Nodes bewegten, insbesondere da ihm als versierten und qualifizierten Internetuser die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung zur Begehung von Verbrechen durch Dritte, sowie die Gefahr dabei selbst in den Fokus polizeilicher Ermittlungen zu geraten, bekannt gewesen sein dürfte, entzieht sich der Kenntnis der Sachbearbeiterin.“

Dass man durch derartige sozial wünschenswerte Handlungen in den Fokus polizeilicher Ermittlungen kommen kann bzw. einem sogar vorgeworfen wird, man hätte doch damit rechnen müssen, ist inakzeptabel. Damit wird diese Technik über einen undemokratischen Umweg kriminalisiert.

Wir fordern zwar die Abschaffung des Weisungrechtes des Bundesministers für Justiz – aber solange es besteht, fordern wir die Abstellung der illegalen Verfolgung von Exit-Node Betreibern (es gibt momentan über 5.000 davon) , denn diese ist offensichtlich ausschließlich auf technische Unkenntnis der Behörden zurückzuführen und ist zur Aufklärung von Straftaten grundsätzlich ungeeignet.

Zu den technischen Hintergründen: Der Weg durch das Tor-Netzwerk von der Entry-Node bis zur Exit-Node ist standardmäßig ein zufälliger, auf den die Teilnehmer zur Wahrung Ihrer eigenen Anonymität und Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss nehmen können. Der Betreiber der Tor-Exit-Node wiederum kann nicht wissen, wer seine Exit-Node wann und wofür verwendet. Dass der Zugriff des unbekannten Dritten auf die inkriminierte Bilddatei also von der Exit-Node des Verurteilten erfolgte, war rein vom Zufall abhängig. Es ist also rein technisch nicht möglich, durch Bereitstellung einer einzelnen Exit-Node zu einer konkreten strafbaren Handlung beizutragen.

Der Bundesvorstand weiter: „Wenn sich die Praxis, Diensteanbieter für das Verhalten der Nutzer strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, durchsetzt, dann sind wir bald alle kriminell. Wir Piraten werden das nicht zulassen! In Zeiten, in denen die Regierung das eigene Volk in einem grundrechtswidrigen Maße mittels Vorratsdatenspeicherung überwacht und Menschen, die sich dagegen zur Wehr setzen, strafrechtlich verfolgt, ist der Kampf für die Grundrechte im Internet aktueller denn je!“

(1) https://www.piratenpartei.at/tor-urteil-anregung-einer-wahrungsbeschwerde/
(2) https://www.piratenpartei.at/offener-brief-der-piratenpartei-den-bm-fuer-justiz-betreffend-tor/

Näheres zur Piratenpartei:
Die Piratenpartei ist Teil einer globalen Bewegung zur Entwicklung einer Demokratie, die der Welt des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Die Piraten setzen sich für einen Kurswechsel in Richtung mehr Demokratie, mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung und mehr Freiheit ein. Sie nutzen Online-Werkzeuge, die es jedem Menschen ermöglichen, Politik mitzugestalten.

https://www.piratenpartei.at

Rückfragen: bv@piratenpartei.at
mod@piratenpartei.at, @Marcus_MoD, +43/660/3437070

Ein Kommentar

  1. 1
    DiDiogenes

    Ich dachte, die VDS ist mit der Kundmachung aufgehoben. Kann sein, dass die Umsetzung etwas dauert, aber wenn das Aufhebungsurteil schon über die Medien gelaufen ist, dann erscheint es mir unwahrscheinlich, dass die Daten noch verwendet werden.